Jeder Mensch muss die eigenen grundlegenden Bedürfnisse klar artikulieren können, um im Alltag zurechtzukommen. Nur so ist eine tatsächlich würdevolle und selbstbewusste – anstelle einer schambehafteten – Kommunikation möglich.
Deshalb stellen wir Ihnen in dieser Handreichung praktisch einsetzbares Material zur Verfügung, das dem Leitspruch "Sensibel unterrichten – aber ohne Blatt vorm Mund“ entspricht. Damit soll durch aktive Prozesse der Enttabuisierung ein zentraler Beitrag zu ebenbürtiger, aufrichtiger, respektvoller sowie friedens- und freiheitsorientierter Kommunikation geleistet werden. Wenn der Umgang mit sensiblen Themen zur Normalität wird, kann diese offene Kommunikation Menschen weiter zusammenbringen. Unsere Vision ist also die Ermöglichung von Integration durch barrierefreie Kommunikation sowie gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe für junge Menschen mit Migrations- und vor allem Flucht- Hintergrund.
Durch die Arbeit mit dem vorliegenden Material ermöglichen Sie den Menschen, selbstbewusst in thematischen Bereichen zu kommunizieren, die ebenso sensibel wie unabdingbar für das Bestehen im Alltag sind. So liegt das Hauptaugenmerk auf folgenden Themenkomplexen, die von den etablierten Lehrwerken oft ausgespart werden: Menstruation, Toilettengang, Sexualität, sexuelle Identität, der menschliche Körper in seiner Vollständigkeit, Depressionen, Religion, Umgang mit Schwächen, Belästigung, vulgäre Sprache identifizieren und verstehen sowie Tod und Sterben.
Das Material fördert den Austausch über das jeweilige Thema und eine offene Auseinandersetzung damit. Wenn Menschen wissen, wie sie in Deutschland ihre Bedürfnisse ausdrücken können und dürfen und welche Normen beim Umgang mit sensiblen Themen herrschen, gibt ihnen das Sicherheit. So werden sie bestärkt, offen zu kommunizieren und durch diese Öffnung können tiefe zwischenmenschliche Gespräche und interkulturelle Verbindungen entstehen, die Voraussetzungen für ein friedvolles Zusammenleben in Deutschland sind.
Dem Entstehungsprozess dieses Buches liegt folgende Erkenntnis zugrunde, die das STiDU-Team vereint: Wir laufen mit offenen Augen durch die Welt und erkennen, dass Sprache von zentraler Bedeutung ist, um sich von Barrieren zu befreien, die das Denken beeinflussen. Gleichzeitig werden aber in Gesprächen häufig genau diejenigen Themen ausgespart, die dabei von enormer Relevanz für den Einzelnen und die Gruppe sind. So umfassen die Inhalte dieses Buches zentrale Bereiche, die von hohem, meist auch emotionalem Stellenwert sind und bei Tabuisierung entsprechende negative Konsequenzen, im schlimmsten Fall für die menschliche Gesundheit, mit sich ziehen.
Die aktuelle gesellschaftspolitische Situation, vor allem die Migrationsbewegungen sowie nationale und internationale Krisen, testen die Grenzen eines friedlichen Miteinanders häufig stark aus. Es wird mit beinahe schamloser Härte aufgezeigt, dass genau jene sensiblen, bis dato noch Randthemen, in den Fokus rücken müssen, um ein friedliches Miteinander zu gewähren. Die Basis für dieses Miteinander sind dabei ein starkes und positives Selbstbild und Selbstwertgefühl. Aus der inneren Stärke heraus kann ein neuer Gemeinsinn entwickeln werden. Wer die eigenen Bedürfnisse kennt und respektiert und die entsprechenden Worte dafür kennt, der kann auch die Bedürfnisse andere besser verstehen, mitfühlen und durch eine passende, feinfühlige Ausdrucksweise starke zwischenmenschliche Verbindungen schaffen. Die Sprache fungiert so als Instrument für den Barriereabbau zwischen den Kulturen. Wir wollen jeder Bevölkerungsgruppe, vor allem auch Mädchen und jungen Frauen, eine Stimme geben.
Wir bedanken uns, dass Sie mit dem Einsatz dieser Materialien einen wichtigen Teil dazu beitragen, dass Menschen in Deutschland sicher, selbstbewusst und feinfühlig über sensible Themen des Alltags sprechen können.
Anja Enzersberger (Projektleitung) & Lisa Wrosch (Materialentwicklung)